Montag
30. Juli 2018

in der Evangelischen Kirche Oberwinter um 20 Uhr  (Bitte beachten Sie die Uhrzeit)

'GOTT-GEHEILIGTE SINGSTUNDE'
nach dem 30-jährigen Krieg

Ensemble Paper Kite
mit Werken von Rosenmüller, Krieger, Hammerschmidt, Erlebach

Marie Heeschen- Sopran
Antonio De Sarlo , Rafael Roth – Violine
Guillermo Turina – Violoncello
Felix Schönherr - Orgel

Die 'teutschen Landen' waren nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges in einer heute unvorstellbaren
Weise geschädigt: eine Zeit der Depression, Zerstörung, Pest- und Hungerleiden hinterließ gesellschaftliche,
wirtschaftliche und kulturelle Lücken, wurde aber abgelöst durch eine Phase der künstlerischen Produktivität:
zahlreiche musikalische Kapellen werden (wieder) gegründet, musikalische Drucke werden in erhöhter Zahl her-
gestellt.
Die poetische und musikalische Sprache der Zeit gibt Ausdruck der Leidensgeschichte, der geistlichen Besinnung
und Konzentration, aber auch wiedererwachter Lebensfreude und Leiblichkeit.

Paper Kite fühlt dieser Stimmung in einem Programm mit Musik für Sopran, zwei Geigen und Continuo
von Johann Rosenmüller, Johann Krieger, Andreas
Hammerschmidt und Heinrich Philipp Erlebach nach.
(Text: Paper Kite)

                                Programm

                                Johann Rosenmüller (1619-1684)
                                In Te Domine Speravi
                                (Handschrift der Bokemeyer Sammlung D-B  Mus.ms. 18889)
                               

aus dem Tagebuch von Abt Maurus Friesenegger, 1628

                                Heinrich Schütz (1585-1672)
                                Mein Herz ist bereit SWV 341
                                (aus Symphoniae Sacrae 1647)
                              

  Maurus Friesenegger 1634 und 1635

                                Andreas Hammerschmidt (1611-1675)
                                Es danken dir Gott die Völker
                                (aus Musicalische Andachten III 1642)
                             

  aus einem Wiener Zeitungsbericht, Winter 1631

                                Johann Philipp Krieger (1649-1725)
                                Cantate Domino canticum novum
                                (Handschrift D-Dl Mus.1862-E-503)
                              

  aus dem Tagebuch des Söldners Peter Hagendorf, 1633

                                Philipp Heinrich Erlebach (1657-1714)
                                Sonata Seconda
                                I. Adagio - II. Allegro
                                (aus Sechs Sonaten, Nürnberg 1694)

                                Andreas Hammerschmidt
                                Ich schlafe, aber mein Hertz wachet
                                (aus Musicalische Andachten III 1642)
                               

Peter Hagendorf, 1629

                                Andreas Hammerschmidt
                                Vulnerasti cor meum
                                (aus Motettae, unius et duarum vocum 1649)

                                Philipp Heinrich Erlebach
                                Sonata Seconda IV. Allemande, VI.
                                Sarabande, VII. Gigue
                              

  Maurus Friesenegger, 1648

                                Christoph Bernhard (1628-1692)
                                Aus der Tieffen
                                (aus Geistlicher Harmonien Erster Teil 1668)


Jeder Komponist dieses Programms war direkt oder indirekt von den Auswirkungen des Krieges betroffen.

So kehrte Johann Rosenmüller nach Jahrzehnten des Exils in Italien nach Deutschland zurück und erneuerte
das Ensemble der Wolfenbütteler Hofkapelle. Dort
stellt er seinen ehemaligen Schüler Johann Krieger und
dessen Bruder Johann Philipp Krieger als Sänger an. Die Kompositionen des Bruderpaares sind in zahlreichen
Abschriften in Wolfenbüttel
erhalten und auch in den Druck gekommen. Hingegen ist Rosenmüllers Musik
fast ausschließlich in Abschriften (größtenteils aus Italien geschickt) erhalten und befindet sich heute zum
überwiegenden
Teil in der Berliner Staatsbibliothek.
Die Traditionslinie zwischen Rosenmüller und den Kriegerbrüdern läßt sich noch weiter zurückführen bis zu
Heinrich Schütz, dessen Unterstützung für Rosenmüller nachgewiesen ist. Während Johann
Rosenmüller vor
seiner Flucht nach Italien noch in Leipzig arbeitete, stellte Heinrich Schütz ungenutztes Papier aus der Druck-
legung seines Schwanengesangs für Rosenmüllers Erstdruck zur Verfügung.

Schütz selbst wiederum war durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in besonders deutlicher Weise
betroffen. Bei der Untersuchung der im Druck erschienenen Werke zwischen 1618 und 1648 wird sichtbar,
wie die ihm zur Verfügung stehenden Mittel und die Besetzungen seiner Werke durch Krieg und Pest zuneh-
mend dezimiert wurden. In dem Vorwort zu den Kleinen geistlichen Konzerten
schrieb er: „Die löbliche Music
[ist] von den anhaltenden gefährlichen Kriegs-Läufften in unserem lieben Vater-Lande Teutscher Nation nicht
allein in grosses Abnehmen gerathen, sondern an manchem
Ort gantz niedergeleget worden“. Auch persön-
liche Tragödien ereigneten sich in Schützs Leben. So verlor er während des Krieges seine Frau und eine seiner
beiden Töchter.

Was sich teilweise in der Musik erahnen lässt, wird durch die Tagebücher von Zeitzeugen des Dreißigjährigen
Krieges deutlich gemacht.

Peter Hagendorfs Tagebücher wurden erst Mitte der Achtziger Jahre wiederentdeckt und sind ein einzigartiges
Zeugnis der Alltagsgeschichte des Krieges zwischen 1625 und 1649. Als Söldner reist
er durch Mitteleuropa,
oft zu Fuß, protestantischen wie katholischen Feldherren dienend, heiratet, bringt zu Papier, wie er Frau und
Kinder verliert und beschreibt in der selben Zeile erschreckend
nüchtern Beobachtungen und alltägliche Bege-
benheiten seiner Reise.

Die Tagebücher des Maurus Friesenegger, Abt des Klosters zu Heiligenberg in Andechs, geben Einblick in das
qualvolle Leben der Bewohner und des dazugehörigen Dorfes von 1629 bis zum Ende
des Krieges 1648. Mit-
fühlend und schonungslos beschreibt er Belagerungen, Mißernten und Überfälle, die den Alltag ebenso präg-
ten, wie die Folgen der Pest. Dennoch enthalten Frieseneggers
Einträge immer wieder Passagen der allen Wid-
rigkeiten trotzenden Versuche der Menschen zu überleben: Jedes Jahr aufs Neue werden die von Frost und
Plünderei zerstörten Äcker bestellt,
wird das Möglichste versucht, um Geld und Nahrung aus den benachbar-
ten Großstädten zu beschaffen und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Diese spiegelt sich auch in den Texten einiger Kantaten unseres Programms wider, in denen Jubel und Lobprei-
sungen genauso ausdrucksstark vertont werden, wie Furcht und Leid.

„Gott-geheiligte Singstunde“ ist der Titel einer Liedersammlung von Philipp Heinrich Erlebach aus dem Jahr 1704
und drückt in besonderer Weise die kirchenmusikalische Situation im protestantischen
Deutschland der Zeit aus,
die auf den Dreißigjährigen Krieg folgte.  (Text: Paper Kite)


Die aus Deutschland, Spanien und Italien stammenden Mitglieder von Paper Kite haben ihre
Ausbildung an den
herausragenden Musikhochschulen Europas erhalten und sich in historisch
informierter Aufführungspraxis speziali-
siert. 2013 gewann das Ensemble den Biagio-Marini Preis in
Neuburg an der Donau und wurde 2014 mit dem Titel
"IYAP Selected Promising Ensemble"
ausgezeichnet. Mehrfach waren sie beim Fringe des Utrecht Early Music Festival
und des MA Festival
Brugge zu hören. Im Mai 2017 war Paper Kite das erste Mal bei den Händelfestspielen in Halle zu
hören.
Das Ziel der Gruppe ist es, das weniger bekannte Kantatenrepertoire des Barock durch
lebendige und mitreißende
Interpretationen wieder zu beleben. Dabei stellen die Erkenntnisse der
historischen Aufführungspraxis eine wich-
tige Inspirationsquelle dar. Paper Kite wurde durch
Begegnungen mit musikalischen Persönlichkeiten wie
Amandine Beyer, Jill Feldman, Michael
Borgstede und Kris Verhelst beeinflußt. (Text: Paper Kite)

http://www.paperkite.de

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